Sonntag, 10. Januar 2010
Vertrag mit der Sonne
Die Skizze ist vom Sonntag vor Weihnachten. Sie ist in einem Workshop entstanden. Der Beginn des Kreises, der Spirale, ist jeweils rechts in der Mitte: Die vier Hände berühren sich. Zwei Hände sind geflügelt. Es ist auch der Zodiakus, der Tierkreis. Es ist der persönliche Vertrag mit der Sonne, so nannte ich die Skizze schließlich. In dem Workshop ging es darum alte und hemmende Muster und Prägungen, die uns blockieren, durch die künstlerische Arbeit zu befreien, damit wir sie dadurch loslassen können. Für das kommende Jahr frei zu werden. Die Arbeit glich einem reinigenden Ritual.
Es war eine wohltuende Atmosphäre im Raum und das Licht strahlte warm und gelb auf die vielen Tigel und Töpfe mit den Inkredenzien. Kostbare Farben und Pulver. Die Namen und Bezeichnungen derselben klangen wunderbar und vielversprechend in meinem Ohr. Mit zerriebenen Steinen, Quarzen oder Edelsteinen Bilder malen! Mit Silber und mit Gold! Viele Federn steckten dekorativ in einem Glas mitten auf dem länglichen Holztisch, mit denen wir mit Sepia unsere Skizze, die Basis für das spätere Bild - es sollte mit Asche und Purpur gemalt werden - fertigen sollten. Und mit zerstoßenen Christbaumkugeln. Stand zögernd davor. Da gab mir der Kursleiter, dem ich stets fasziniert zuhörte, eine sehr große, ganz struppige weiße Feder in die Hand, deren Federkiel noch entsprechend zuzuschneiden war. Ich dachte im ersten Moment: Von welchem komischen Vogel stammt denn die? “Möwenfedern sind besonders stabil und hart”, sagte er wie als Antwort auf meinen Gedanken. Jetzt begann sie mir mehr und mehr zu gefallen, da ich wußte, daß diese ungewöhnliche Feder eine Möwenfeder war. Eine Möwe, die im Wind fliegt, hat schon manchmal struppige Flügel. Schließlich wurde sie schön. Mühte mich redlich.
Auch der vorbereitende Vortrag war sehr interessant und inspirierend, es ging um Denkansätze oder genauer Lösungswege für persönliche menschliche Entwicklungswege von Plato auch in Zusammenhang mit der Astrologie.
Ich zögerte erst, überhaupt hinzufahren, da der Kurs von Sonntag Spätnachmittag bis in den Abend dauerte. Andreas hatte mich darauf gebracht. Ich traf ihn auch dort. Er hatte Geburtstag. Er sagte, als wir unter Zeitdruck vor dem Münster standen: “Ich habe das Gefühl, daß dein Auto abgeschleppt worden ist.” Und ich war fürchterlich nervös deswegen, obwohl ich es selbst eigentlich besser wußte. Ich hatte es am Bahnhof geparkt und parkte es dann um. Es begann sehr stark zu schneien, so daß ich mich nach zwei Stunden entschuldigen mußte um durch den Schneesturm im Schneckentempo heimzufahren.
Ich habe in der vergangenen Nacht geträumt, daß ich jemanden zum Abschied umarme. Er saß alleine an einem Tisch weiter hinten in einem dunkleren Eck und erhob sich dafür, als ich auf ihn zugekommen war. Die Umarmung war sehr innig und lange. Es war, als würden wir dadurch gegenseitig von uns aufnehmen. Fast verschmelzen. Ja, das ist er, dachte ich. Da war das, was er “wahr”, sein vollkommen einzigartiger persönlicher “Geschmack”. Es war so, als würde mich das, was er war, dadurch daß ich es zuließ, einhüllen. Als würde es mich auf eine Weise ausfüllen. Wie eine Wolke. Eine Welle. Ich es ganz aufnehmen. Nach der Umarmung schämte ich mich etwas vor einer Freundin, welche in einiger Entfernung dabeigestanden war und zugesehen hat.
Vor den Weihnachtsfeiertagen konnte ich zwei Tage frei nehmen und war bei Ruthard, dem Künstler, und seiner Frau Elke, welche Logopädin und Atemlehrerin nach Middendorf ist, gewesen und habe unter seiner Anleitung einen Dreifarbenholzschnitt gefertigt, während Elke für uns köstliche indische Malzeiten zubereitet hat. Die lebendige Stadt. Es waren zwei schöne, ruhige und sehr erholsame Tage gewesen. Vergaß alle Zeit, während ich am Tisch saß und das Bild in die Holztafel geschnitten habe. Ich hatte auch zwei fertige Vorlagen zum Drucken mitgebracht. Eine kniende Frau mit einer Krone auf dem Haupt, die einen großen, strahlenden Stern in ihren Händen hält. Und eine Art Selbstporträt. Eine Frau auf dem Grund eines Wassers, die nur aus zwei großen Augen und einem Mund besteht. In dem Meer gab es einen großen Fisch und eine Schlange. Es gab den Mond, die Sonne und viele Sterne.
Yoda, der rote Kater, brachte am Morgen, als wir wieder Schnee geschoben haben, einen kleinen Vogel an, den er erbeutet hatte. Er war gerade einmal fünf Minuten draußen gewesen. Es war ein Rotkehlchen. Ich dachte: O nein!